Beim Abschied hat Pastorin Sofia Olifant Tränen in den
Augen. „Mögen sich die Wege vor Deinen Füßen ebnen“, singen wir vierstimmig vor
ihrem Haus im abgelegenen Dorf Touwsrivier. Die Sonne ist schon untergegangen,
ein lauer Abendwind kühlt uns die Gesichter, während unser irischer Segenswunsch
durch die stillen Straßen klingt: „Und bis wir uns wiedersehen und bis wir uns
wiedersehen, möge Gott seine schützende Hand über Dir halten….“
Sofia schluckt und wischt sich lächelnd ein paar Tränen aus
den Augenwinkeln. „Ich bin so dankbar, dass Ihr uns besucht habt“, sagt sie. „Das
bedeutet uns sehr viel.“ Touwsrivier ist ein 8000-Einwohner-Ort gut zwei
Autostunden nordöstlich von Kapstadt, so abgelegen wie ein vorpommersches Dorf
zwischen Greifswald und Anklam.
Der Spar-Supermarkt ist der einzige Arbeitgeber, die meisten
Bewohner verdienen ihr Geld als Traubenpflücker in den Weinbergen ringsherum. Sofia
arbeitet seit sieben Jahren als Pastorin in der evangelisch-lutherischen
Kirchengemeinde. 300 zahlende Mitglieder gehören dazu, in den Gottesdienst
kommen meist um die 70. Vor allem die „women‘s prayer league“, die Frauengruppe
in der Gemeinde, ist sehr aktiv. Aber manchmal, deutet Sofia an, hat man hier
das Gefühl, dass der Dean – der Dekan - seine Schäfchen auf dem Land vergessen
hat, dass die spannenden internationalen Gäste immer nur Kapstadt besuchen und
an Touwsrivier vorbei sehen.
Wohl auch deshalb zieht Sofia jetzt alle Register, um uns zu
beweisen: Ein Besuch hier lohnt sich. Um 7 Uhr morgens waren wir in Athlone aufgebrochen
in der Erwartung, am Vormittag ein kleines Bläser- und A-capella-Konzert in
einer Schule von Touwsrivier zu geben. Doch als wir gegen 10 Uhr endlich Sofias
flaches Haus mit dem staubigen Rosengarten vor der Tür erreichen, ist von
Schule keine Rede mehr. Stattdessen schenkt uns Sofias Gemeinde eine Safari!
„Habt ihr noch Platz im Auto?“, fragt sie und schiebt sich
vorne auf den Beifahrersitz, während wir hinten zusammenrücken. Rund 15 Minuten
später finden wir uns überrascht und überwältigt im Aquila Reservat wieder:
einem Naturschutzgebiet mit 7500 Hektar Land, viel Platz und Schutz für exotische
Tiere, darunter auch die berühmten „Big Five“: Löwe, Leopard, Büffel, Elefant
und Nashorn.
Der Ranger und Kirchenälteste Timothy, ein smarter Typ mit
Kinnbart und Grübchen in den Wangen, lässt uns in einem offenen Jeep Platz nehmen
- los geht die Safari. „Ich wollte mal Schauspieler werden“, erzählt uns
Timothy. Jetzt ist das Reservat sein Schauspielhaus, das Publikum sind wir. Und
die Protagonisten, die nach und nach auf die Bühne treten, stellt er uns mit kuriosen
Stories vor.
Da ist etwa das Gnu, der Clown im Revier. Als Gott die Tiere
geschaffen hatte, soll er noch Material übrig gehabt haben. Kurzerhand warf er
alle Reste zusammen - und heraus kam das Gnu. Der Kopf scheint vom Büffel zu
stammen, die Mähne von der Hyäne, das Hinterteil vom Pferd… auch Straußen, Giraffen,
Zebras, Nilpferde und weitere Tiere, die wir sonst nur aus dem Zoo kennen,
bekommen wir an diesem Mittag vor die Linse, manche grasen nur ein paar
Schritte von unserem Wagen entfernt.
Timothy warnt vor ihrer Kraft, erzählt von dummen Touristen,
die etwa zu nah an Elefanten herankamen und mit ihrem Auto zum Spielzeug der
riesigen Dickhäuter wurden. „Die Leute sagen dann immer: Das Tier hat das und
das gemacht! Ich frage: Und was hast Du gemacht?“ Mehr Respekt vor der
Schöpfung wünscht er sich, mehr Verständnis dafür, dass hier jeder seinen Raum
braucht und verdient hat.
Ein üppiges Mittagessen im Reservat-Restaurant und ein Bad
im Pool hinter dem Haus warten danach auf uns… das ist also unser Ausflug nach Touwsrivier!?
Wir können unser Glück kaum fassen.
Am Abend dann das Konzert, das wir Deutschen in der Kirche ein
paar Schritte entfernt von Sofias Haus geben dürfen. Rund 40 Menschen drängen
sich in den hinteren Bankreihen, viele ältere Frauen sind darunter, aber auch ein
paar Kinder und Jugendliche. Die Bläser unter uns trumpfen mit Bach und Händel
auf, spielen Pezelius, schmettern am Ende „Zur Feier des Tages“ von dem
tschechischen Komponisten Janker – und ernten begeisterten Applaus. Aber auch
ein kleiner Chor der Gemeinde tritt auf und unser Minichor mit einem „Zottelmarsch“,
bei dem die Stimmen Marschmusik einer Blaskapelle imitieren.
„Ihr müsst wieder kommen und nächstes Mal auch einen
Workshop bei uns geben, so wie in Kapstadt“, sagt eine der Frauen am Schluss. „Auch
hier gibt es Jugendliche, die Talent haben, aber niemand ist da, der sie
unterrichten könnte!“
Wir wissen nicht, ob und wie ein solcher Workshop sinnvoll
sein könnte. Aber eins ist sicher. Wir kommen gerne wieder. Nicht nur wegen der
Big Five.
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