Samstag, 14. Februar 2015

Oase der Hoffnung



iThemba Labantu bahnt Menschen aus dem Slum einen Weg in ein besseres Leben
Bretterbuden und Wellblechhütten so weit das Auge sieht. In Philippi, einem Township bei Kapstadt, regieren Armut und Gewalt. Doch mittendrin steht auch iThemba Labantu: ein evangelisch-lutherisches Zentrum mit Kirche, Suppenküche, Ausbildungswerkstätten, Aids-Krankenhaus, Töpferei und mehr. Die 29-jährige Sophia Zittel aus Deutschland arbeitet hier als Sozialarbeiterin – und erzählt uns Deutschen von beglückenden, aber auch frustrierenden Erlebnissen.
Sophia, was ist das größte Problem in Philippi, worunter leiden die 450 000 Menschen, die hier leben, vor allem?
Die hygienischen Bedingungen sind katastrophal, es gibt keine Toiletten, kein fließend Wasser und die Häuserwände sind im Winter viel zu dünn, man friert.  Aber viel schlimmer sind die Gewalt und die Perspektivlosigkeit. Ungefähr jeder Dritte hier hat Aids, der Alkoholismus ist weit verbreitet, viele Kinder werden sexuell missbraucht. Das merken wir auch bei den Theaterstücken, die wir zusammen mit Jugendlichen aus dem Township entwickeln. Was sie auf die Bühne bringen, ist voller Gewalt, in jedem Stück wird irgendwer erschossen oder vergewaltigt… Bei den Hausbesuchen, die wir machen, sehen wir ständig Kinder, die man eigentlich sofort aus der Familie rausholen müsste. Aber das können wir nicht.
Wieso nicht?
Das ist sehr schwierig, und wir haben auch nicht genügend Geld und Platz. IThemba Labantu finanziert sich ja vor allem über Spenden, der Staat gibt uns nur ein bisschen Geld für die Kindergartenplätze und die Pflege der Aidskranken. Wir würden gerne noch eine Grundschule bauen, die Stadt verkauft uns kein Land, seit Jahren kämpfen wir darum. Wenn man ein Grundstück kaufen und bebauen will, muss man x verschiedene Anträge bei Behörden einreichen, das ist langwierig und zermürbend.  Letztlich sind die Leute auch einfach ignorant. Aber wir haben jetzt eine andere Lösung gefunden: Wir werden unsere Aidsstation schließen und die Räume  umfunktionieren.
Die Aidsstation schließen? Ist sie nicht mehr wichtig?
Sie wird nicht mehr so dringend gebraucht. Als unser Leiter Otto Kohlstock, der letzte Missionar der Berliner Stadtmission, 2003 Pastor in Philippi wurde, war die Situation hier noch eine ganz andere. Otto hatte angefangen, Essen auf dem Kirchengrundstück auszugeben, und daraufhin brachten die Leute Aidskranke zur Kirche. Das war der Anfang. Inzwischen behandeln wir in unserem Care Center jeweils 18 HIV-Infizierte für zwei bis sechs Monate, mit Zuschüssen vom Staat. Viele der Kranken sind in sehr, sehr schlimmen Zustand, wenn sie hier ankommen, aber fast alle können wir so stabilisieren, dass sie mit der Krankheit weiterleben können. Es gibt inzwischen einfach wirkungsvollere Medikamente. Letztes Jahr wurde dann ein großes staatliches Krankenhaus in Philippi gebaut. So können wir das Care Center bald schließen und die Räume für eine Grundschule nutzen.
Wir haben gehört, dass iThemba Labantu vor allem von Europäern finanziell unterstützt wird. Wie kommt das? Es leben doch auch in Südafrika viele reiche Menschen, die helfen könnten.
Ja, das stimmt. Wir hoffen auch, dass sich das langsam ändert. Aber es sind einfach Parallelgesellschaften. Natürlich wissen die Wohlhabenden, dass es hier Townships gibt, aber mit ihrer Welt haben die nichts zu tun. Philippi ist außerdem ein Schwarzenviertel, viele Reiche sind weiß, ich denke schon, dass die Apartheid da noch nachwirkt.
Du selbst wolltest eigentlich nur ein Jahr als Freiwillige bei iThemba Labantu arbeiten, jetzt bist Du seit neun Jahren hier. Wie kommt das?
Ich hatte einfach das Gefühl, dass das hier mein Platz ist, meine Aufgabe. Ich komme eigentlich aus Freiburg, aber habe meiner Familie in Deutschland nach dem Freiwilligen Sozialen Jahr erklärt, dass ich auswandere, hier weiter arbeite und parallel Sozialarbeit studiere.
Aber was hält Dich hier, was reizt Dich so an der Arbeit?
Dass iThemba Labantu so lebendig ist. Es entwickelt sich ständig weiter. Am Anfang stand hier nur die Kirche mit dem Garten. Dann kam eine Suppenküche dazu, weil Otto gemerkt hat, dass die meisten hier kaum etwas zu essen haben. Der nächste Schritt war, auf dem Gelände Möglichkeiten zum Geldverdienen zu schaffen, damit die Familien die Schuluniform für ihre Kinder bezahlen können. So ist unsere Perlenwerkstatt entstanden, die lange Zeit ziemlich erfolgreich war. Sechs, sieben Jahre lang haben wir hier Weihnachtsschmuck aus Perlen gefertigt und nach Deutschland importiert, 4,5 Millionen Euro sind so reingekommen. Inzwischen läuft das Geschäft nicht mehr so gut, man braucht eben nicht jedes Jahr wieder Weihnachtsschmuck. Aber die Produkte aus der Keramikwerkstatt verkaufen sich sehr gut. Wir überlegen, hier noch eine Ausbildung zum Keramiker einzurichten, zusätzlich zu den anderen Ausbildungen, die es schon gibt.
Vermisst Du Deutschland?
Nein. Kapstadt hat einen ganz eigenen Charme und die Menschen hier sind irgendwie freier. In Deutschland geht es eigentlich allen gut, materiell jedenfalls. Auch wer keine Arbeit hat, muss nicht hungern und auch nicht obdachlos werden. Hier in Südafrika haben die Leute weder eine Krankenversicherung noch gibt es Arbeitslosenhilfe. Fast alle hier haben schon irgendeine Tragödie in ihrer Familie erlebt – dass jemand erstochen wurde, überfallen oder so. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass sie glücklicher sind, viel mehr lachen und das Leben genießen. Sie leben im Moment. Ich kann hier freier atmen. Und die Kinder, die zu uns kommen, sind alles meine Kids.

Fünf Fakten über iThema Labantu
1.       Der Name bedeutet „Hoffnung für die Menschen“
2.       Gegründet wurde das Zentrum von den drei lutherischen Kirchen in Südafrika und dem Ehepaar Margarete und Klaus Doppler aus München.
3.       120 Kinder zwischen drei und sechs Jahren besuchen den Kindergarten in Itemba Labantu, die Warteliste für weitere Kinder ist lang. Die älteren Kinder kommen nach der Schule her, essen in der Suppenküche, machen Hausaufgaben und nehmen an Freizeitangeboten teil.
4.       Jeder zweite Jugendliche in Philippi bricht die Schule ab und landet auf der Straße, ohne Aufgabe, ohne Beschäftigung. Deshalb bieten die Mitarbeiter von Itemba Labantu auch Sport-, Theater- und Musikkurse an.
5.       Einzelne Jugendliche können in Itemba Labantu eine kostenlose Ausbildung machen, etwa zum Autoschlosser oder Solartechniker. Über ein Stipendium verdienen sie in dieser Zeit schon erstes Geld.

Lust zu helfen?
Das Zentrum ist dringend auf Spenden angewiesen: www.themba-labantu.de

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